this post was submitted on 11 Aug 2023
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Bevor sich jetzt hier wieder irgendwer aufregt: hat irgendwer schon mal Werbung für Brezeln gesehen?
Mein erster Gedanke dazu. Und zweitens, was ist denn bitte im Jahr 2023 noch kontrovers daran, dass ein Lebensmittel, wenn es objektiv nicht gesund (für Kinder, für alle) ist, bestimmten Wettbewerbsregeln unterliegt?
Wäre Brezelwerbung schon immer verboten und sollte jetzt liberalisiert werden, würden Söder und März im Fernsehen stehen und über die zu erwartenden Gewinneinbrüche für Obstbauern schwadronieren.
Ja, ich. An Bahnhöfen.
Der Vorschlag Özdemirs bezieht sich auf Werbung, die sich an Kinder richtet. Dies betrifft vor allem bestimmte Sendezeiten im Fernsehen und im Internet (Radio wurde offenbar ausgenommen) sowie Plakate im Umkreis von 100 Metern um Schulen und Kindertagesstätten.
Ditsch kann also weiterhin seine Brezeln auf die Schilder drucken, genauso wie andere Bäckereien, die sich jetzt von FDP und CDU in Panik versetzen lassen.
machs nicht kaputt, wir wollen uns alle über die Grünen aufregen! 😡 Die Grünen!
Fallen die Schilder vor den Bäckereien auch unter "Plakate"?
Aber gut zu wissen, dass "darf nicht für Jugendliche beworben werden" bei Brezeln nicht gehandhabt wird wie bei von der BPJM indizierten Medien.
Klingt für mich nicht so, das BMEL spricht explizit von "platzierten Plakaten". Es sieht wirklich alles nach grundloser Aufregung irgendwelcher Nachwuchs-Populisten aus.
Nun ja. Der Schaden hält sich im konkreten Fall zwar in Grenzen, weil Brezeln eben nicht in dem Sinne "beworben" werden wie Happy Meals, aber wenn als Antwort auf das Problem "der moderne Junkfood macht unsere Kinder krank" ein Gesetz erlassen wird, dann ist es schon ein handwerklicher Fehler, wenn darunter auch traditionelle Lebensmittel fallen, deren Position man ja eben gegenüber dem modernen Junkfood stärken wollte.
Ich denke auch, dass die reale Gefahr besteht, dass jegliche Regulierung die Macht der großen Konzerne nur noch weiter stärkt, weil McDonalds es einfacher hat, seine Rezepturen so anzupassen, dass sie technisch nicht mehr unter "Junkfood" fallen (aber dank geschickten Food-Design mit Zusatzstoffen schmeckt man den Unterschied nicht, und ob das Resultat dann gesünder ist...), während eine Brezel, deren Rezeptur so verändert würde, dass sie nicht mehr unter das Gesetz fällt, eben keine richtige Brezel mehr wäre.
Kinder dürfen weiter Brezeln futtern, bis das Taschengeld alle ist. Bäcker dürfen weiterhin Brezeln auf ihre Schilder schreiben.
Nachdem sich für Brezeln voraussichtlich gar nichts ändert, klingt diese vermeintliche Sorge ziemlich weit hergeholt.
Noch. Irgendwann heißt es dann "Brezeln sind so gefährlich, dass sie für Kinder nicht beworben werden dürfen; ist doch eigentlich verrückt, dass man sie trotzdem an Kinder verkaufen darf".
Bevor Missverständnisse aufkommen, ich werfe weder Özdemir noch irgendjemand anderem vor, er habe ein Totalverbot der Brezeln als Endziel und würde hier bewusst eine Salamitaktik betreiben. Das wäre eine absurde Verschwörungstheorie. Ich befürchte einfach, dass man hier eine gesellschaftliche Dynamik in Gang setzt, die sich nur schwer aufhalten lässt. Schau die Entwicklung beim Tabak an - und da hat sich eine milliardenschwere Lobby dagegen gewehrt. Wenn ein Produkt, hinter dem keine Tabakindustrie steht, sich einmal im allgemeinen Bewusstsein als "Schädling der Volksgesundheit" festgesetzt hat, dürften weitergehende Verbote nur noch eine Frage der Zeit sein. Und beim Cannabis sieht man, wie schwierig es ist, ein Verbot wieder wegzukriegen, das sich einmal institutionell verankert hat.
Die CDU mit ihrem Drogen- und Genderverbotsfetisch ist natürlich ein ausgesprochen unglaubwürdiger Anwalt für das Anliegen, eine Verbotsdynamik aufhalten zu wollen und es ist die große Tragik des deutschen Parteiensystems, dass in ihm offenbar kein Platz für eine glaubwürdige liberale Partei ist.